Honecker und der Pastor

Die Liebe ist langmütig und freundlich – 1.Korinther 13

Die Definition von Langmut ist: durch ruhiges, beherrschtes, nachsichtiges Ertragen oder Abwarten gekennzeichnete Verhaltensweise. Ein weiteres Wort dafür ist Ausdauer. Im Englischen bedeutet das Wort „longsuffering“ – langes Leiden, was es noch treffender ausdrückt. Kaum jemand benützt das Wort Langmut noch, doch finde ich es treffender als nur „Geduld“. Es ist eine Tugend die Paulus auch in seinem Brief an die Galater aufführt: Wenn dagegen der Heilige Geist unser Leben beherrscht, wird er ganz andere Frucht in uns wachsen lassen: Liebe, Freude, Frieden, Geduld (Langmut), Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. – Galater 5,22-23 

Neulich sah ich einen Film, der einer Familie ein Denkmal setzt, wegen dem was sie getan haben, wie sie ihren Glauben lebten und der solch ein gutes Beispiel ist, wie weit Nächstenliebe geht oder gehen sollte.

Einen Hintergrund und Kommentar zum Film gab der Produzent Jan Josef Liefers in diesem Video hier

Ich habe einige Wortwechsel herausgeschrieben, die von Bedeutung sind und zeigen, wie schwer es ist, das Christentum wirklich zu leben – nicht nur zu glauben, sondern das auch leben, was du glaubst.

Glaubensbruder: Wie können sie eigentlich den Mann, der unsere Kirche seit Jahrzehnten diskriminiert hat, ausgenutzt hat wo es nur ging, unterdrückt hat, Mitarbeiter bespitzeln und inhaftieren lassen, wie können sie diesen Mann in Lobetal aufnehmen, von seiner Frau will ich erst gar nicht reden.

Pastor Holmer. Wo hätten sie denn unterkommen können, sie waren obdachlos. Die Regierung versagt ihnen sogar Personenschutz.

Glaubensbruder: Und deshalb machen sie sich zum Komplizen?

P.H. … unser Leitspruch lautet: „und dass ihr mir keinen abweist“ und davon kann es keine Ausnahme geben. Wenn wir Barmherzigkeit predigen, dann müssen wir sie doch auch leben, selbst wenn es schwer fällt.

Bruder schließlich: Ich seh‘ jetzt, von ihnen kann die ganze Christenheit noch sehr viel lernen…

P.H. Nächstenliebe fällt auch einem Christen nicht einfach in den Schoss. (An Gottes Liebe zu glauben ist einfach, doch das zu praktizieren ist alles andere als einfach, denn Gott überschüttet uns nicht einfach mit Liebe und dann haben wir sie, sondern er möchte, dass wir uns anstrengen sie zu leben und zu ihm ausrufen, wenn es zu schwer ist, so wie Frau Holmer es im Film tat.)

Honeckers wollen für Kost und Logis aufkommen:

P.H. Gastfreundschaft ist für uns Christen eine Pflicht, deren wir frohen Herzen nachkommen. Sehen sie es als ein Geschenk Christi. Das  ist unser Lohn.

Hon. Sie brauchen mit uns kein Mitleid haben.

P.H. Es ist kein Mitleid. Sehen sie Herr Honecker. Mitleid wäre, wenn wir mit ihnen mit leiden würden, das ist aber nicht der Fall. Wir Christen üben Barmherzigkeit.

Hon. Wir wollen weder Mitleid noch Barmherzigkeit, wir wollen nur bezahlen, was wir schuldig sind.

P.H. Wie die Kapitalisten? – Barmherzigkeit ist nicht käuflich. Sie ist eine der Haupttugenden im Evangelium. Einer steht für den anderen ein und fragt nicht nach der Vergütung. Wenn sie geben wollen, spenden sie etwas an unsere Diakonischen Institutionen.

Honecker erzählt später seiner Frau Margot von diesem Gespräch und sie antwortet dazu, so kann man uns auch demütigen. (Dreht es dir auch den Magen um, bei so viel Querköpfigkeit? Es zeigt, wie weit sich die beiden vom Licht entfernt haben, können die Wahrheit, auch wenn sie direkt vor ihnen steht, nicht sehen.)

Holmers bekommen stapelweise Post von Leuten die gegen ihr Handeln protestieren, auch Drohbriefe. Er verfasst schließlich einen allgemeinen Antwortbrief:

Liebe Freunde, viele haben uns ihre Zustimmung, andere aber auch ihre Verärgerung über unser gemeinsames Wohnen mit den Honeckers kundgetan. Deshalb erlaube ich mir, ihnen, liebe Freunde eine Erklärung zuzusenden.

  1. Wir sind von der Kirchenleitung um Aufnahme gebeten worden (in einer der Institutionen, doch weil da kein Platz frei war, nahmen Holmers sie in ihrem Privathaus auf) niemandem ging deswegen ein Pflegeplatz verloren und unsere Familie hat diesen Schritt nicht getan, aus dem Prinzip mit dem alten Regierungssystem.
  2. Wir greifen damit nicht in das juristische Verfahren gegen Herrn Honecker ein. Wir nehmen ihn als Mensch und nicht als Verbrecher auf.
  3. Er und seine Frau waren Obdachlose als sie die Charité und Regierungswohnung verließen. Und …
  4. In Lobetal steht eine Statue Christi, die die Menschen einlädt und ihnen zuruft, kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken! Fragt euch liebe Freunde, welche Schuld wir auf uns geladen hätten, hätten wir sie abgewiesen.

Holmer wird zu einer TV Diskussions-Sendung eingeladen. Dort macht sich eine junge Frau vom Publikum bemerkbar und erzählt ihre Geschichte wie sie wegen Schwänzen in der Schule in eine Umerziehungs-Intuition gesteckt und dort schrecklich misshandelt wurde, auch sexuell. Sie klagt Holmer an: „Sie haben kein Recht, denen zu verzeihen, auch wenn sie Pastor sind.“ (Ohne Gottes Kraft ist es für natürliche Menschen unmöglich, so etwas zu vergeben. Wir Menschen brauchen dazu Gott und seine übernatürliche, über des Menschen Kraft hinausgehende Vergebung. Doch wir müssen Gottes Hilfe wollen.)

Holmers Antwort: „Es fällt mir schwer, bei dem was sie erlebt haben, das jetzt zu sagen, aber sie müssen vergeben. Ich bete aber für sie, dass sie einen Weg finden mögen, denn sonst frisst die Bitterkeit in ihrem Herzen sie auf und dann hätten die am Ende doch erreicht, was sie damals nicht geschafft haben.“ Er reicht ihr seine Hand, aber sie weist ihn ab. (Sie konnte solch eine Vergebung in diesem Moment nicht verstehen und einfach tun. Doch Holmer muss das bewusst gewesen sein und hat deshalb dazugefügt, dass er für sie beten wird.)

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Eineinhalb lange Monate mussten die Holmers die Honeckers ertragen. Und wie sie endlich aus dem Haus waren und alle aufatmeten, standen sie 2 Tage später wieder vor der Tür, da ihnen die Aufnahme in einer andere Unterkunft durch Protestierende verweigert wurde. Gott wollte wohl, dass die Geduld und Liebe, die sie lernen und ausüben musste, nicht praktiziert wird mit einem ständigen Blick auf das Ende dieser Zerreisprobe, also einem ständigen Denken im Ertragen, dass das bald ein Ende haben wird, sondern einer völligen Hingabe zu Gottes Willen egal wie lange die Probe andauern wird.

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Wie sich der Aufenthalt und das Beispiel der Holmers als Familie am Ende auf die Honeckers tief in ihrem Herzen wirkte, erfahren wir nicht. Honecker musste sich später in einer Gerichtsverhandlung verantworten, in der er noch keine Reue zeigte. Nur sein schlechter gesundheitlicher Zustand verhinderte eine Haftvollstreckung. Aber zumindest wurde ihnen durch die Holmers ein besseres Beispiel von „Sozialismus“ gegeben und sie haben hoffentlich begriffen, dass ein wahrer Sozialismus nur mit Gottes Liebe funktionierender kann. Durch diesen Mangel an Gottes Kraft und seiner Liebe, konnten Menschen wie die Honeckers erst entstehen.

So wie Luther dachte, dass der Papst nicht weiß, was da unten unter seinen Priestern und in seiner Kirche vor sich geht, so dachten viele Menschen in der DDR, wie eine Zeitgenossin kommentierte, dass Honecker nicht wirklich weiß, was in seinem Land vor sich geht, aber wenn er es wüsste, würde er es ändern. Doch hat er und seine Frau als Ministerin ja Gesetze erlassen, wussten deshalb wohl auch, wie sie angewendet wurden.

Der Film endet, damit, dass Mutter Holmer zu ihrem Mann einen Denkwürdigen Satz sagt über verlorenes Vertrauen in einander. Jedoch denke ich persönlich, dass das große Problem der immer schneller schwindende Mangel an Glauben und Vertrauen in Gott geworden ist, das vor allem seit die Industrialisierung begonnen hat und mit ihr der aufkommende (gottlose) Sozialismus der schnell besonders von der ärmeren Bevölkerung angenommen wurde, weil die Kirche damals meist nicht hinter den Armen und Unterdrückten stand, sondern predigte, jeder muss sein Schicksal (arm und geschunden zu sein) als von Gott annehmen. Eine Missinterpretation von Jesus Worten: „Die Armen werdet ihr immer bei euch haben.“ Was aber mehr prophetisch gemeint ist, Jesus voraus sehen konnte, dass es immer so sein wird. Denn es liegt an uns Menschen selbst, andere zu unterdrücken und auszunutzen um selbst reich zu werden, oder nicht.

Nachdem ich den Film sah, war ich ziemlich aufgewühlt, angewidert von diesem Diktatorenpaar, aber gleichzeitig musste ich mich fragen, wie ich gehandelt hätte? Wäre ich bereit gewesen meine „Feinde“ aufzunehmen? Mit ihnen unter einem Dach zu schlafen, das Bad und die Küche mit ihnen zu teilen? Sie jeden einzelnen Tag an meinem Tisch zum Essen sitzen zu haben? Meinen Geburtstag mit ihnen zu feiern, so im Sinne von Friede, Freude, Eierkuchen? Hier musste ich mit meinen Gedanken anhalten, wohl bewusst, dass bei Gott nichts Friede, Freude, Eierkuchen ist. Er hat eine Eselsgeduld, die wir selten aufbringen können, mit Menschen, die anscheinend verhärtet in ihren Herzen sind und nicht bereit, zu Reue und Umkehr. Dabei lehrt er uns ja gleichzeitig Lektionen, möchte uns durch die schwierige Situation dazu verhelfen, in der Liebe zu wachsen, vorwärts zu gehen auf unserem geistigen Weg und unserem Jesus immer ähnlicher werden. In dieser Situation mit den Holmers war das doch wohl am Ende eher eine Bereicherung für sie gewesen, als eine schwere Last.

Es ist gut, sich das zu fragen, wie hätte ich gehandelt, dabei sollten wir aber auch im Auge behalten, dass Gott uns die Gnade für eine bestimmte Situation gibt und zwar dann wenn wir sie brauchen und nicht zuvor. – Danke Jesus!

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Hier noch das Lied, mit dem der Film begann:

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