Nacherzählt vom Buch Hiob
Es war Ende Oktober und die Luft roch noch immer nach Regen. Umgeben von bewaffneten Dienern bestieg Hiob einen weißen Araberhengst. Er ritt über den Kamm eines Hügels und schaute hinunter über die riesigen Felder, die sich soweit das Auge reichte vor ihm erstreckten. Von allen „Bewohnern des Ostens“ gab es niemanden, der mächtiger und reicher war, als Hiob. Denn das fruchtbarste Land von ganz Uz gehörte ihm.
Ein alter, bärtiger Diener zeigte auf die Hunderte von Knechten, die mit ihren Ochsengespannen die Felder pflügten. Er sagte: „Oh Herr, der Regen hat gerade zur rechten Zeit den harten, ausgetrockneten Boden aufgeweicht. Alle deine fünfhundert Ochsen pflügen jetzt. Und deine fünfhundert Esel grasen auf den nahegelegenen Weiden.“
„Gut, sehr gut!“ antwortete Hiob. „Und wie steht’s mit den Schafen, Sheikar?“, fragte er.
„Wir haben gerade gestern Abend die letzten der 7000 Schafe auf die Winterweiden gebracht, Herr“, antwortete Sheikar mit einem breiten Lächeln.
„Und was ist mit den Kamelen?“
„Alles in Ordnung, Herr. Du hast die besten Kamele der Welt! Tatsächlich hat eine große Gruppe von chaldäischen Händlern aus dem weit entfernten Babylon ihr Lager in der Nähe aufgeschlagen und möchte hundert davon kaufen.„
„Wenn ich hundert Kamele verkaufte, wie viele blieben mir denn dann noch übrig?“, fragte Hiob.
„Oh, die werden dir nicht fehlen, mein Herr, denn du hättest immer noch 2900 übrig! Der Herr hat dich wahrhaftig reichlich gesegnet!“
Ganz stolz lehnte sich Hiob im Sattel zurück. „Ja, sicher hat Er das! Ich habe ja auch dem Herrn so viele Jahre gewissenhaft gedient und das getan, was Ihm wohlgefällig war. Deswegen hat Er auch meine Besitztümer beschützt und mich so reichlich gesegnet!“ (Hiob 1,3)
„Kommt jetzt, lasst uns in die Stadt reiten. Ich habe dort etwas zu erledigen!“, sagte Hiob.
Nach einer knappen Stunde konnten sie die hohen Mauern der Stadt sehen, und Hiob ritt mit seinen Leuten auf das Südtor zu. Entlang der inneren Seite der Stadtmauer standen Verkaufsstände, und der Bazar wimmelte nur so mit Hunderten von Leuten.
Hiob stieg von seinem Pferd und begab sich in den Schatten des großen Steintors, wo die Ältesten der Stadt in eine erregte Debatte verwickelt waren.
Die Adligen, Einflussreichen und Stadtältesten erhoben sich respektvoll von ihren Plätzen, als Hiob sich auf seinen Ehrenplatz setzte. Fürst Zabduel, der gerade gesprochen hatte, unterbrach seine Rede und legte sich die Hand auf den Mund, denn nicht einmal ein Fürst durfte in der Gegenwart Hiobs ohne dessen Erlaubnis sprechen. (Hiob 29,7-10)
„Was gibt es für Probleme?“, erkundigte sich Hiob.
Fürst Zabduel zeigte auf einen Kaufmann und eine nicht mehr ganz junge Frau, die dort vor der Versammlung der Ältesten standen und sagte: „Dieser Mann kam zu uns, damit wir ein Urteil fällen sollten. Diese Witwe hat Schulden bei ihm, und er verlangt, dass sie ihm zur Schuldentilgung zwei ihrer Söhne als Sklaven gibt.“
Als die Frau Hiob sah, stürzte sie auf ihn zu, fiel zu seinen Füßen und rief aus: „Mein Herr, wenn er mir meine beiden Söhne nimmt, bin ich mittellos und werde nichts zu essen haben. Bitte helft mir!“ Die Augen der gesamten Versammlung richteten sich auf Hiob und warteten gespannt darauf, wie sein Urteil ausfallen würde. (Hiob 29,21-25)
Hiob warf einen Blick in die Runde und erhob sich von seinem Sitz. Dann sagte er: „Gebt dieser Frau ihre Söhne. Ich werde ihre Schuld begleichen!“ Er zog ein Armband aus reinem Gold von seinem Handgelenk und warf es dem Händler vor die Füße in den Staub. „Das sollte mehr als genug sein!“ sagte er streng. Der Händler hob es schnell auf und verschwand in der Menge. Erstaunt fingen die Ältesten an, untereinander zu flüstern und rühmten Hiobs gerechtes Urteil und Großzügigkeit.
Als Hiob durch das Tor schritt, kam einer seiner Söhne zu ihm und sagte: »Vater, heute Abend halte ich mit all meinen Brüdern und Schwestern in meinem Hause ein Festmahl. Komm doch bitte auch!«
Hiob antwortete: „Mein Sohn, feiert ihr ruhig! Doch es wäre meiner kaum würdig, bei einer jugendlichen Gesellschaft dabei zu sein.“
Am selben Abend, als Hiob mit seiner Frau zu Tisch saß, bedient von einem Dutzend Dienern, betrat ein Wächter den großen Raum.
„Mein Herr,“ sagte er, „eine Gruppe von 15 Bettlern ist am Tor. Soll ich sie wegschicken?“
Hiob erwiderte empört: „Niemals! Im ganzen Land Uz soll es nicht vernommen werden, dass die Armen, ohne Hilfe zu erhalten, von Hiobs Tür zurückgewiesen werden! Mir wäre lieber, mein rechter Arm würde mir von der Schulter gerissen!“
Hiob stand vom Tisch auf und begab sich mit seinen Knechten zum Tor, um sich persönlich darum zu kümmern.
Ein alter Mann trat hervor und sagte: „Helft, oh guter Herr! Vor vielen Monaten stahlen Plünderer aus Saba unsere ganzen Herden und unseren Besitz. Seitdem essen wir nur noch Ginsterwurzeln und wohnen in Höhlen und Klippen! Wir leiden unter dem Regen und der Kälte. Tag für Tag arbeiten wir unter großer Anstrengung, ohne Kleidung und notleidend in den Feldern und Olivenhainen eurer Nachbarn, und sind immer noch hungrig. Bitte helft uns!“ (Hiob 24,2-12,30,3-7)
Voller Mitleid schaute Hiob den schmutzigen alten, zerlumpten Mann an. Hier stand ein Mann, den er nicht einmal angestellt hätte, seine Herden mit den Hunden zu bewachen! (Hiob 30,1) Und dennoch…
„So, so, meine Nachbarn haben euch also nichts zu essen gegeben? – -Dann werde ich es tun!“, verkündete Hiob.
Sofort wies er seine Diener an, den frierenden, sich zusammendrängenden Bettlern warme Kleider und Decken zu geben. Dann ließ er seine Diener Portionen seiner eigenen Mahlzeit an diese Armen austeilen. (Hiob 31,16-22,31-32)
Hiob war sehr mit sich selbst zufrieden und schlief ausgezeichnet in dieser Nacht. Doch am nächsten Morgen war er beunruhigt. Er dachte an seine Söhne und Töchter, dass sie feierten und tranken, und er sorgte sich: „Vielleicht haben sie sich letzte Nacht betrunken und gesündigt und Gott in ihrem Herzen verflucht?“
Er nahm sofort zehn Lämmer und opferte sie dem Herrn. „Bitte, vergib meinen Kindern, falls sie gesündigt haben!“, betete er. An den darauffolgenden Tagen, während Hiobs Söhne und Töchter immer noch feierten, betete er weiterhin für sie und brachte früh jeden Morgen Brandopfer für sie dar. (Hiob 1,4-5)
* * *
Hoch oben und weit entfernt von den staubigen Steppen und Bergen von Uz in einer unbeschreiblich schönen Welt, außerhalb des menschlichen Bereichs, spielte sich etwas sehr Ungewöhnliches ab.
Vor dem Thron Gottes fanden sich die Söhne Gottes ein – Engel, mächtig und voller Herrlichkeit.
Plötzlich verkündete ein Engel: „Oh Herr und Gott, Satan ersucht eine Audienz mit Dir!“ Der Herr wusste wohl, warum der Satan gekommen war und gab ihm Erlaubnis einzutreten und sogleich stolzierte eine dunkle Gestalt über das gläserne Meer auf Seinen Thron zu.
„Hast du meinen Knecht Hiob gesehen?“, forderte der Herr ihn heraus. „Er ist der beste Mensch, der auf der Erde lebt – er ist rechtschaffen, aufrichtig, gottesfürchtig, und verabscheut das Böse.“
„Meinst du, dass Hiob ohne Grund Gott fürchtet?“; spöttelte der Teufel. „Du hast ihn, seine Familie und seinen Besitz stets vor Unglück bewahrt, und einen Schutzwall von Engeln rings um ihn her gemacht? Du lässt ihm alles gelingen, was er unternimmt, und sein Reichtum wächst immer weiter. Aber wende dich nur einmal gegen ihn und nimm alles weg, was er besitzt – wetten er wird sich von dir lossagen?“
„Gut“, antwortete der Herr dem Satan, „mit seinem Besitz darfst du tun, was du willst. Ihn selbst aber rühre nicht an!“ (Hiob 1,6-12)
Da entfernte sich der Satan aus der Gegenwart des Herrn und begab sich hinunter in die trockene arabische Wüste. Bald schon hatte er die Wüstenbrise in eine Windhose und schließlich in einen gewaltigen Sandsturm verwandelt, der über die öden Felsen und den Sand auf das Land Uz zu fegte.
Östlich von Uz hatten sich in ihrem Lager die babylonischen Händler ziemlich betrunken. „Warum sollen wir die hundert Kamele von Hiob kaufen?“ rief der Karawanenführer. „Wir sind doch bewaffnet! Wir können sie uns stattdessen einfach alle nehmen!“
Im Südosten, im Lager der sabäischen Nomaden herrschte Aufregung. „Steigt auf eure Pferde!“ schrie Ras-Houid, mit einem feurigen Leuchten in den Augen, seinen Männern zu. Wir haben schon lange darauf gewartet, endlich in die fruchtbaren Ländereien von Hiob einfallen zu können. Jetzt ist es soweit!“ Die Krieger sprangen auf und sattelten ihre Pferde. Bald hörte man ein gewaltiges Donnern, als Hunderte von wilden Reitern mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die öden Salzebenen Richtung Uz zu jagten. Am späten Nachmittag des nächsten Tages hielten sie auf einem Hügel an und schauten über die Felder, wo Hiobs Ochsen pflügten.
„Bald wird ein schrecklicher Wüstensturm losbrechen!“ stellte Ras-Houid fest, als er den immer dunkler werdenden Himmel prüfte. „Aber wir werden längst fort sein, bevor er hier ist!“ Er zog sein funkelndes Schwert aus der Scheide, schwang es hoch über seinem Kopf und schrie: „Zum Angriff!“
Hiob saß an diesem Abend mit seiner Frau im Haus und genoss seine Mahlzeit. Zum Essen spielten im Hintergrund seine Mägde sanft auf der Lyra und Flöte.
Plötzlich stürzte ein Bote in den Speisesaal. Seine Kleidung war zerfetzt und sein Arm blutete. Er keuchte: „Hiob, mein Herr, deine Ochsen waren am pflügen, und die Esel weideten in der Nähe, als die Sabäer uns plötzlich überfielen. Sie raubten uns die Tiere und töteten die Knechte mit dem Schwert. Ich bin als Einziger entkommen, um es dir zu sagen.“
Hiob war schockiert und konnte es kaum glauben. Er erhob sich hastig und ließ den Boten beschreiben, was passiert war. Noch während der Bote sprach, stürzte plötzlich ein anderer Knecht in den Raum. Seine Haare und Kleidung waren versengt und er rief: „Herr! Feuer ist vom Himmel gefallen (Blitze) und hat deine Schafe und ihre Hirten vernichtet. Es war eine Katastrophe! Ich habe als einziger überlebt!“
Noch während dieser Bote sprach, taumelte ein anderer Diener herein und berichtete: „Drei Räuberbanden von den Chaldäern haben alle deine dreitausend Kamele gestohlen und alle eure Knechte umgebracht! Ich bin als Einziger entkommen, um es dir zu sagen!“
Niedergeschmettert ließ sich Hiob in seinen Stuhl fallen! – Doch die schlimmste Nachricht sollte noch kommen! Ein letzter Bote kam in den Raum gerannt, warf sich Hiob weinend zu Füßen und jammerte: „Deine Söhne und Töchter haben im Haus ihres älteren Bruders ein Fest gefeiert. Plötzlich kam ein heftiger Wüstensturm auf und traf das Gebäude mit voller Wucht. Es stürzte ein und hat alle deine Kinder unter sich begraben. Ich bin als Einziger entkommen, um es dir zu sagen!“
Als Hiob dies hörte, stieß er einen Klagelaut aus, stand auf und zerriss sein kostbares Gewand von oben bis unten!

Unfähig zu schlafen, schritt er, von Schmerz gepeinigt, in seinem Herrschaftshaus auf und ab. Alles, was er noch übrig hatte, war ein leeres Haus. Sein Reichtum, seine Knechte und sogar seine Kinder waren… weg!
Doch der Teufel war noch nicht fertig mit ihm. Nur wenige Tage später bekam er vom Herrn die Erlaubnis, Hiob weiter zu testen. Er quälte ihn von Kopf bis Fuß mit schmerzhaften, ekligen, eiternden Geschwüren!
Hiob kam sich erbärmlicher als jeder andere Sterbliche vor. Er fand einen Haufen Asche hinter seinem Haus und setzte sich hinein. Mit der Scherbe eines Tonkruges schabte er sich vorsichtig den Eiter aus seinen Wunden. Selbst seine eigene Frau schmähte ihn schließlich verachtungsvoll und forderte ihn heraus: „Verfluche Gott und sterbe!“
Doch trotz seiner Verzweiflung weigerte sich Hiob, seinen Glauben an Gott zu verleugnen und antwortete: „Selbst wenn Er mich tötet (nicht heilt), will ich Ihm dennoch vertrauen!« – Hiob 13,15
Die Tage vergingen, und Hiob saß immer noch auf seinem Haufen von Asche und schabte verdrießlich seine schmerzhaften Wunden. Seine Haut fing an sich schwarz zu färben und zu schälen. Sein Körper brannte vor Fieber, und nach und nach verließen ihn die wenigen Diener, die übrig geblieben waren. Seine Frau und all seine Verwandten verachteten ihn. Sogar kleine Kinder und die schmutzigsten Bettler mieden ihn. Sie hielten höchstens an, um sich über ihn lustig zu machen und ihn anzuspucken. (Hiob 7,3; 19,13-20; 30,1,7-10,30)
Hiob hatte ein paar sehr reiche Freunde in Edom und anderen benachbarten Ländern, die sich, als sie von seinem Elend erfuhren, zusammentaten und zu ihm nach Uz reisten. Wie anders alles aussah! Seine gewöhnlich gut instand gehaltenen Besitztümer waren verlassen und fingen an zu verfallen. Als sie Hiob aus der Ferne auf der Asche sitzen sahen, den Körper voller Wunden und nur noch Haut und Knochen, erkannten sie ihn kaum. (Hiob 2,11-13; 19,20) Sie stiegen von ihren Kamelen und setzten sich weinend neben ihn.
Sieben Tage und Nächte lang sagten sie kein Wort, denn sie sahen, dass sein Leid zu groß für Worte waren. Schließlich wurde Hiobs Kummer unkontrollierbar, und er brach in bittere Anklagen darüber aus, dass er in solch großes Unglück gestürzt worden war! „Was ich immer gefürchtet habe, ist eingetreten!“, rief er aus. (Hiob 3,1-14; 6,8-9; 10,1; 3,25)
Sein Freund, Elifas von Teman in Edom, schalt ihn dafür, dass er sich beklagte, dass Gott ihn misshandle. „Kann denn ein Sterblicher gerechter sein als Gott? Kann denn ein Mensch reiner sein als sein Schöpfer?“, forderte er ihn heraus. (Hiob 4,17-18)
Doch Hiob war nicht imstande, auf Rat zu hören, und beklagte sich bitter, dass Gott ihn grundlos bestrafte, denn er hatte doch nichts Übles getan! (Hiob 6,8-9)
Bildad aus Schuach, ein Araber, protestierte: „Wie lange willst du noch so weiterreden? Sollte Gott etwa seine Rechtsprechung verdrehen?“ – Hiob 8,1-3
Und wieder bestand Hiob darauf, dass er völlig unschuldig sei, doch Zofar von Naama, aus dem nördlichen Edom bestritt es: „Wie kannst du zu Gott sagen: ‚Was ich sage, ist richtig! Ich stehe schuldlos und rein vor dir da‘ Kein Mensch ist völlig rein vor Gott!“ – Hiob 11,4)
Sarkastisch erwiderte Hiob: „Wahrhaftig, ihr vertretet die Menschheit und mit euch wird die Wahrheit aussterben! Aber auch ich habe Verstand wie ihr und mein Wissen kann durchaus mit eurem mithalten. Wer wüsste nicht, was du eben gesagt hast? Ihr lullt mich mit Lügen ein, und als Ärzte seid ihr billige Quacksalber. Ihr solltet besser schweigen, das könnte man euch noch als Weisheit anrechnen! Hört mir zu, wie ich mich verteidige und denkt über das nach, was ich vorbringe.“ Und wieder begann er, seine Unschuld zu beteuern. (Hiob 12,1-3; 13,4.5.13.18.19.23)
Elifas erwiderte: „Wie könnte ein Mensch je schuldlos sein? Und wie könnte ein Sterblicher je gerecht sein?“ – Hiob 15,14
Hiob entgegnete, dass Gott ihn schlecht und erbarmungslos behandelt habe, und obwohl Gott ihm übel mitgespielt habe, sei er selber dennoch gerecht und seine Gebete seien rein. (Hiob 16,11-17) „Begreift doch endlich, dass Gott mir Unrecht getan hat“, beklagte er sich. – Hiob 19,6-11
Zofar antwortete, dass Hiob gesündigt haben musste, da Gott ja Übeltäter richtet, und nicht gute Menschen. (Hiob 20) Doch Hiob antwortete, dass Gott oft die Gottlosen mit ihren Sünden davonkommen ließe, was es also für einen Sinn habe, Gott zu dienen und zu versuchen, gut zu sein, wenn Er die Gerechten auf diese Art behandelte! (Hiob 21,7-15; 34,9)
Wieder entgegnete Bildad Hiob und sagte: „Wie könnte ein Mensch Gott gegenüber im Recht sein?“ – Hiob 25,4
Doch Hiob erwiderte gereizt: „Ich schwöre beim lebendigen Gott, der mir mein Recht genommen hat, beim Allmächtigen, der mich mit Kummer erfüllt hat, ich werde euch ganz bestimmt nicht Recht geben. Bis zu meinem Tod werde ich nicht davon abweichen, dass ich schuldlos bin!“ – Hiob 27,2-6
Dann fing Hiob an zu argumentieren: „Bedenkt doch, wie ich die Armen und die Waisen und die um Hilfe rufenden Notleidenden beistand! Meinetwegen sang die Witwe vor Freude. Gerechtigkeit war mein Gewand, das ich anzog wie einen Mantel; und mein Recht war meine fürstliche Krone. Ich war das Auge für den Blinden und der Fuß für den Lahmen. Ich war ein Vater der Armen.“ – Hiob 29,12-17
„Ich habe geschworen, dass ich nie eine Frau lüstern anschauen würde“, beteuerte er. „Und meine Bediensteten habe ich immer anständig behandelt. Mit meinem großen Reichtum war ich nie geizig und habgierig. Nein! Ach, wenn Gott mich doch nur auf gerechter Waage prüfen würde, dann würde Er meine Unschuld erkennen!“ – Hiob 31,1,6, 9-10,13-18,24-25
Schließlich heißt es: „Da hörten die drei Männer auf, Hiob zu antworten, weil er sich selbst für gerecht hielt.“ – Hiob 32,1
Ganz offensichtlich war Hiobs Hauptproblem seine Selbstgerechtigkeit. Doch Hiobs drei Freunde hatten das nicht ganz begriffen. Stattdessen waren sie der festen Meinung, dass Gott Hiob gerichtet hatte, weil er nicht gerecht war, und dass er eine schwerwiegende Übeltat oder ein Unrecht begangen haben musste. (Hiob 22,4-11) Dies war jedoch nicht der Fall, denn Hiob war sehr „gerecht“ gewesen und hatte viele „gute Taten“ vollbracht. Hiob wusste dies auch. Und genau deshalb hatten sie ihn nicht überzeugen können!
Ein junger Mann namens Elihu hatte daneben gesessen und respektvoll zugehört, als Hiobs drei ältere Freunde mit ihm argumentierten. Schließlich, als er klar erkannte, wo das Problem lag, packte ihn der Zorn, denn obwohl sie keinen stichhaltigen Grund gegen ihn vorbringen konnten, um Hiob anzuklagen, verurteilten sie ihn trotzdem kritisch! (Hiob 32,1-5)
Elihu war ebenfalls zornig auf Hiob, „weil er sich selbst für gerechter hielt als Gott“! – Hiob 32,2 „Indem du Gott Ungerechtigkeit unterstellst“, schalt Elihu, „hast du in deiner Torheit Gott für deine Schwierigkeiten die Schuld gegeben, genau wie ein Gottloser es tun würde! Hiob, das ist Rebellion gegen Gott!“ – Hiob 34,7-9,36-37
Elihu wandte sich zuerst den drei Freunden und dann Hiob zu und sprach: „Hiob hat gesagt: ›Ich bin unschuldig, doch Gott verweigert mir mein Recht!‹ Hiob, hältst du das für recht, zu sagen: ›Ich bin gerechter als Gott‹?“ – Hiob 34,5;35,2
Plötzlich, gerade als Elihu zu sprechen aufgehört hatte, verdunkelte sich der Himmel auf merkwürdige Weise und ein gewaltiger Wirbelwind bewegte sich über das Land auf sie zu! Das grimmige Heulen des Windes übertönend, sprach aus der Mitte des Sturms die Stimme Gottes zu Hiob: „Deine Worte sind ohne Verstand! Will der Haderer mit dem Allmächtigen rechten?“ – Hiob 38,2; 40,2
Hiob zitterte, er war zu Tode erschrocken und stammelte: „Ich bin ein Nichts – wie könnte ich dir etwas erwidern? Ich lege mir die Hand auf den Mund und will nichts mehr sagen!“ – Hiob 40,3-5
Der Herr fuhr fort: „Willst du mir etwa meine Gerechtigkeit absprechen, mich für schuldig erklären, nur damit du Recht behältst?“ Hiob 40,8
Hiob erwiderte: „Oh Herr, ja ich habe in Unkenntnis über Dingen geurteilt, die zu hoch für mich sind, ohne mir darüber im Klaren zu sein. Darum widerrufe ich, was ich gesagt habe, und bereue in Staub und Asche. Vergib mir!“ Hiob 42,3,6
Hiob bereute sehr, jetzt wo ihm klar wurde, dass selbstgerechter Stolz seine Sünde gewesen war. Hiobs drei Freunde waren damit sehr zufrieden, dass er endlich wenigsten irgendeine Sünde bekannte! Doch nun waren sie an der Reihe, und der Herr erteilte ihnen einen scharfen Verweis dafür, dass sie Hiob so kritisch und fälschlich beschuldigt hatten. Er gebot dem nun demütigen und reumütigen Hiob zu beten, dass Gott Gnade mit ihnen haben möge! (Hiob 42,7-10)
Dann, kurz nachdem Hiob für seine Freunde gebetet hatte, heilte ihn der Herr und machte ihn auch bald wieder wohlhabend. Er gab ihm doppelt so viele Herden und Besitztümer zurück, wie er zuvor hatte! Seine neue Frau gebar ihm sieben weitere Söhne und drei Töchter, und er lebte noch viele, viele Jahre, lange genug, um noch seine Ur-Urenkel aufwachsen zu sehen!
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ZUM NACHDENKEN:
1. Die meisten Christen verstehen nicht, „warum der Herr Hiob so schlecht behandelte“, und sie denken, dass die Hauptlektion des Buches Hiob sein Glaube und seine Geduld war – trotz seiner, ihrer Ansicht nach, „unverdienten Schwierigkeiten und Leiden!“ Dadurch, dass sie fälschlicherweise Hiob in seinem Klagen recht geben, dass Gott ihn unfair behandelt hätte, verpassen sie die wirkliche Lektion bzw. verfehlen den wirklichen Punkt des ganzen Buches!
2. Warum erlaubte Gott dem Teufel, Hiob zu plagen? Erstens, um seinen Glauben zu testen, und zweitens, um ihn zu demütigen; denn bis dahin war er ziemlich stolz auf seine eigene Güte und Gerechtigkeit gewesen! Hiob begriff endlich, dass er nicht gut war, sondern nur Gott allein, und dass seine eigene Gerechtigkeit in Gottes Augen wie „ein von der Menstruation beflecktes Kleid*“ ist (Jesaja 64,5), und dass auch er völlig von Gottes Gnade abhängig ist! *(Die meisten Bibeln übersetzen hier lediglich ‚beflecktes oder schmutziges Kleid‘. Doch bedeutet es, wie die Elberfelder es anmerkt „wie ein von der Monatsregel beflecktes Kleid; vgl. 3Mo 15,19-24; also nicht nur schmutzig, sondern stinkend und unhygienisch!)
3. Einige Leute denken auch, dass Hiob immer recht und seine Freunde unrecht hatten, denn in Hiob 42,7 steht: „Denn ihr habt nicht recht von mir geredet, wie mein Knecht Hiob.“ Doch Gott bezog sich hier auf Hiobs Buße! Denn bis dahin hatte sich Hiob nur beklagt und Gott beschuldigt, dass Er das Recht verkehre!
4. Eines der schlimmsten Dinge, die wir tun können, ist Gott die Schuld dafür zu geben, wenn Dinge schief gehen, und zu sagen: „Warum ich, Herr?! Warum tust Du mir das an, wo ich doch so ein guter Mensch bin?“ Solch ein derartiges Murren ist reine Selbstgerechtigkeit, und Gott wird es nicht dulden!
5. Hiobs drei Freunde hatten in ihren Beschuldigungen, zu einem großen Teil recht! Sie wussten, dass etwas mit ihm nicht stimmte! Und es stellte sich heraus, dass er tatsächlich einer sehr schlimmen Sünde schuldig war: „Selbstgerechtigkeit!“ Hiob hatte andauernd beteuert, wie gut er sei (gut in sich selbst, in seiner eigenen Kraft, nicht als eine Gabe und Gnade Gottes!) und genau das war schon eine Sünde an sich! – Die schlimmste aller Sünden, genau genommen!
6. Ja, das Buch Hiob enthält eine Lektion über Glauben und Geduld (Jakobus 5,11). Doch weitaus wichtiger ist die Hauptlektion darin bezüglich Selbstgerechtigkeit! Hiobs Sünde war, dass er sich seiner eigenen Gerechtigkeit so sicher und so stolz auf seine „Vollkommenheit“ war! Wir sind alle schon dieser gleichen Sünde zum Opfer gefallen, doch mögen wir wie Hiob lernen, dass nur Gott allein gerecht ist! „Denn aus Gnade seid ihr gerettet worden, durch den Glauben, und das nicht aus euch: Es ist Gottes Geschenk, nicht aus Werken, damit sich niemand rühmen kann.“ Oder anders ausgedrückt: „Weil Gott so gnädig ist, hat er euch durch den Glauben gerettet. Und das ist nicht euer eigener Verdienst; es ist ein Geschenk Gottes. Ihr werdet also nicht aufgrund eurer guten Taten gerettet, damit sich niemand etwas darauf einbilden kann.“ – Epheser 2,8,9
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Versprechungen von Jesus für uns heute:
Wenn du für Verständnis betest, werde ich dir klare Gedanken geben und Einsicht in die Herzen anderer.
Wenn du für andere betest, werden meine Engel und dienstbaren Geister in Aktion treten. Beanspruche für all das, was deine Lieben brauchen, die Kraft des Wortes Gottes und ich werde ihnen zu Hilfe kommen und sie werden die Resultate deiner Gebete fühlen.
Jemanden durch Gebet und der Kraft von Gottes Versprechungen aus der Bibel zu unterstützen, ist das Größte an Liebe und Opfer, das du tun kannst. Es wird Wunder für sie bewirken, die ihre Last erleichtert und ihnen die Kraft geben, weiterzukämpfen.
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