Der letzte Strohhalm

Der letzte Strohhalm

Von Paula McDonald (Courtesy of Chicken Soup for the Christian Soul.)

 Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Werken anreizen! – Hebräer 10,24

 Es war ein typischer langer Winternachmittag, an dem alle im Haus herumhingen. Die vier Kinder der Familie McDonald stritten sich wieder mal um das Spielzeug und ärgerten sich gegenseitig.

In solchen Momenten glaubte Mutter fast, dass sich ihre Kinder nicht liebten, doch sie wusste, dass das eigentlich nicht der Fall war. Natürlich streiten sich Geschwister, doch in letzter Zeit waren ihre Sprösslinge besonders gemein zueinander, besonders Eric und Kelly, die nur ein Jahr auseinander waren. Anscheinend hatten sie sich vorgenommen, den ganzen Winter damit zu verbringen, einander das Leben schwer zu machen.

„Gib mir das. Das ist meins!“
„Stimmt überhaupt nicht, du Fettsack! Ich hab’s zuerst gehabt!“

Mutter seufzte, als sie den jüngsten Streit aus dem Wohnzimmer hörte. Weihnachten war nur noch einen Monat entfernt, aber im Haus der McDonalds war von weihnachtlicher Atmosphäre herzlich wenig zu spüren. Eigentlich sollte es ja eine liebevolle Zeit des Teilens, der Fröhlichkeit und angenehmer Gefühle sein. Um ein Heim mit weihnachtlicher Atmosphäre zu füllen, braucht es wohl mehr als nur weihnachtliche Dekorationen, einen Adventskranz, hübsche Päckchen oder funkelnde Lichter auf dem Weihnachtsbaum.

Aber wie kann eine Mutter ihre Kinder davon überzeugen, dass Lieb-zueinander-sein die wichtigste Art der Vorbereitung für Weihnachten ist? Da kam Mutter eine Idee. Vor Jahren hatte ihre Großmutter von einem alten Brauch erzählt, der den Menschen half, die wirkliche Bedeutung von Weihnachten zu entdecken. Vielleicht würde es auch mit ihrer Familie klappen. Es war einen Versuch wert. Mutter rief ihre vier kleinen Rabauken her und bat sie, vom Kleinsten bis zum Größten, sich nebeneinander auf die Couch zu setzen: Mike, Randy, Kelly und Eric. „Was haltet ihr davon, dieses Jahr ein neues Weihnachtsprojekt zu starten?“, fragte sie. „Es ist so eine Art Spiel, aber nur wer ein Geheimnis für sich behalten kann, wird mitspielen können. Seid ihr dafür bereit?“ „Ich bin’s!“, rief Eric und winkte wild mit seinem ausgestreckten Arm. „Ich kann ein Geheimnis besser für mich behalten als er“, schrie Kelly, sprang auf und winkte auch mit ausgestrecktem Arm. Falls das ein Wettbewerb war, wollte Kelly sicher machen, dass sie Eric schlug.

„Ich kann das auch!“, pflichtete Randy bei, war aber nicht ganz sicher, worum es ging. Sie wollte keinesfalls von diesem Spiel ausgeschlossen sein.
„Ich auch, ich auch, ich auch“, quäkte der kleine Mike und hüpfte auf und ab.

„Also gut, so funktioniert das Spiel“, begann Mutter zu erklären. „Dieses Jahr werden wir das weichste Bett der Welt machen und das Jesuskind am Heiligen Abend damit überraschen. Wir bauen ihm eine kleine Krippe, damit er hier bei uns im Haus schlafen kann, und wir werden die Krippe mit Stroh auskleiden, um sie richtig gemütlich zu machen. Aber es gibt eine Bedingung: Jeder Strohhalm, den wir in die Krippe legen, soll eine gute Tat darstellen, die wir von jetzt an bis Weihnachten für jemanden tun werden. Je mehr gute Dinge wir tun, desto mehr Stroh wird für das Jesuskind da sein. Der geheime Teil daran ist, dass wir niemandem erzählen dürfen, was wir Gutes tun und für wen.“

Die Kinder schauten sie ungläubig an. „Wie wird das Jesuskind wissen, dass es Sein Bett ist?“, fragte Kelly.

„Es wird es wissen“, antwortete Mutter. „Es wird es an der Liebe erkennen, die wir hineingesteckt haben und wie weich die Krippe dadurch geworden ist.“

„Aber für wen sollen wir die guten Taten tun?“, hakte Eric nach.

„Es ist ganz einfach“, erklärte Mutter. „Wir werden füreinander Gutes tun. Bis Weihnachten wird jeder von uns, auch Papa und ich, einmal wöchentlich seinen Namen auf einen Zettel schreiben und in diesen Hut legen. Dann ziehen wir alle einen Namen und tun dieser Person die ganze Woche lang etwas Gutes. Aber jetzt wird’s schwierig: Wir dürfen niemandem erzählen, welchen Namen wir gezogen haben, und müssen versuchen, möglichst viele gute Sachen für diese Person tun, ohne ertappt zu werden. Und für jede geheime gute Tat dürfen wir einen Strohhalm in die Krippe legen.“

„Aber was ist, wenn ich jemanden ziehe, mit dem ich nicht auskomme?“, jammerte Kelly.

Mutter dachte einen Moment darüber nach. „Weil das eine extra Anstrengung erfordert, darfst du extra dicke Strohhalme in die Krippe legen, wenn du für diese Person etwas Gutes tust. Stellt euch vor, um wie viel schneller die Krippe mit dicken Strohhalmen voll werden wird! Am Heiligen Abend legen wir dann das Jesuskind in Sein kleines Bett, und es wird in dieser Nacht auf einem Strohbett schlafen, das aus Liebe gemacht worden ist. Ich glaube das wird Ihm gefallen, was meint ihr?“

Dann fragte sie: „Nun, wer wird für uns eine kleine Krippe zusammenbauen?“

Da Eric der Älteste war und als einziger die Erlaubnis hatte, das Werkzeug zu benutzen, ging er in den Keller, um einen Versuch zu starten. Während der nächsten paar Stunden hörte man lautes Gesäge und Gehämmer aus dem Keller. Dann hörte man für eine lange Zeit nichts mehr. Endlich kam Eric mit einer Krippe unter dem Arm wieder die Treppe hoch. „Hier ist sie“, kündigte er grinsend an, „die beste Krippe der Welt! Und ich hab sie ganz alleine gemacht.“

Diesmal stimmten sie alle überein: Es war die beste Krippe der Welt. Natürlich war die Krippe etwas wackelig, da ein Bein zwei Zentimeter zu kurz war. Aber sie war mit viel Liebe und zig verbogenen Nägeln zusammengezimmert worden und würde mit Sicherheit sehr lange halten.

„Jetzt brauchen wir noch Stroh“, erinnerte sie Mutter. Sie gingen zum Auto und fuhren los, um etwas auf den umliegenden Weiden zu finden. Da noch kein Schnee lag, waren ihre Chancen gut, etwas Passendes zu finden. Überraschenderweise gab es diesmal keine Streitereien um den heißbegehrten Beifahrersitz, bevor sie übers Land fuhren, um nach verlassenen Feldern zu suchen. Schließlich fanden sie ein unbenutztes Stück Wiese, auf dem im Sommer hohes Gras gestanden hatte. Jetzt hatten wir Dezember und mittlerweile war das Gras verdorrt und sah mit den gelben Halmen wie echtes Stroh aus. Mutter hielt an, und die Kinder kletterten hinaus, um mit Händen Grashalme zu ernten.

„Okay, das ist genug!“ stoppte Mutter die Kinder bald und musste lachen, als sie die übervolle Kartonschachtel im Kofferraum sah. „Denkt daran, es ist nur eine kleine Krippe.“ Sie fuhren also nach Hause, wo sie das Gras sorgfältig auf einem Tablett ausbreiteten, das Mutter auf den Küchentisch gelegt hatte. Die Krippe wurde darauf gestellt, und das Stroh verbarg das zu kurze Bein.

„Wann können wir die Namen ziehen?“, riefen die Kinder aufgeregt. „Sobald Papa zum Essen nach Hause kommt“, antwortete Mutter.

Nach dem Abendessen wurden die sechs Namen auf Zettel geschrieben, zusammengefaltet und in einem alten Hut durcheinandergemischt. Dann fing die Ziehung an. Kelly zog zuerst und fing sofort zu kichern an. Randy griff als nächste in den Hut. Papa spähte auf sein Stück Papier und lächelte still hinter seiner Hand hervor. Mutter suchte einen Zettel aus, aber ihr Gesicht verriet nichts. Als nächster griff der kleine Mike in den Hut, da er aber noch nicht lesen konnte, flüsterte Papa ihm ins Ohr, wen er gezogen hatte. Eric war als letzter dran, und als er seinen Zettel öffnete, verzog er kurz sein Gesicht, stopfte den Zettel in seine Hosentasche und sagte nichts.

Die Familie war bereit, mit dem Spiel anzufangen. Die Woche, die darauf folgte, war voller Überraschungen. Es schien, als hätte es im Hause McDonald eine Invasion einer Armee unsichtbarer Elfen gegeben, denn überall passierten gute Dinge: als Kelly zur Schlafenszeit in ihr Zimmer kam, war ihre Tagesdecke bereits umgeschlagen und ihr Nachthemd ordentlich ausgelegt; irgendjemand fegte ohne Aufforderung die Sägespäne unter der Werkbank weg; als Mutter eines Tages nach dem Frühstück die Post holte, waren die Marmeladeflecken auf dem Küchenschrank verschwunden, und jeden Morgen schlich jemand leise in Erics Zimmer und machte sein Bett, während er sich die Zähne putzte. Es war zwar nicht perfekt, aber es war gemacht. „Wo sind meine Schuhe?“, fragte Papa eines Morgens. Anscheinend wusste keiner Bescheid, aber bevor er zur Arbeit aufbrach, entdeckte er sie blitzblank geputzt im Schuhschrank.

Mutter bemerkte während dieser Woche auch andere Veränderungen. Die Kinder ärgerten und stritten sich nicht mehr so viel. Falls mal ein Streitgespräch begann, verebbte es plötzlich ohne ersichtlichen Grund. Erstaunlicherweise schienen auch Eric und Kelly besser miteinander auszukommen. Die Kinder hatten sogar öfters ein stilles Lächeln auf dem Gesicht und kicherten manchmal vor sich hin. Am nächsten Sonntag waren alle schon ungeduldig, wieder einen Namen ziehen zu können. Diesmal gab es noch mehr Gelächter und Freude während der Ziehung, mit Ausnahme von Eric. Er faltete sein Stück Papier auseinander, schaute darauf und stopfte es wieder wortlos in seine Tasche. Mutter bemerkte es, sagte aber nichts.

Die zweite Spielwoche brachte weitere erstaunliche Ereignisse mit sich. Der Abfall wurde hinausgebracht, ohne dass irgendjemand darum gebeten wurde und jemand leerte Kellys Papierkorb, der normalerweise immer übervoll war. Der kleine Strohhaufen in der Krippe wurde größer und weicher. Da es nur noch zwei Wochen bis Weihnachten waren, fragten sich die Kinder, ob das selbstgemachte Bett fürs Jesuskind komfortabel genug werden würde.

„Wer wird denn überhaupt das Jesuskind sein?“, fragte Randy am dritten Sonntagabend, nachdem sie alle neue Namen gezogen hatten. „Vielleicht können wir eine Puppe benutzen“, meinte Mutter. „Warum kümmerst du dich nicht zusammen mit Mike um die Auswahl der richtigen Puppe?“

Die zwei jüngeren Kinder rannten los, um ihre Lieblingspuppen zu holen, doch alle wollten bei der Auswahl des Jesuskindes mithelfen. Der kleine Mike schleppte seine Stoffpuppe „Bodo der Clown“ an und händigte sie stolz aus, schluchzte aber später, weil alle darüber lachten. Bald gesellte sich Erics heiß geliebter Teddybär Balu zu den Puppen, welche die Couch füllten. Barbie und Ken waren da, Kermit der Frosch, Stoffhunde und Lämmer und ein kuscheliger Affe, den die Großeltern vor einem Jahr geschickt hatten. Doch keine der Puppen und Stofftiere schien wirklich geeignet zu sein.

Nur eine Babypuppe, die schon fast auseinanderfiel, weil sie so viel gedrückt worden war, hatte etwas Ähnlichkeit mit dem Jesuskind. Früher wurde die Puppe „Schnatterbaby“ genannt, aber dann hörte sie für immer auf zu schnattern, weil sie zu oft gebadet wurde.

„Sie sieht jetzt so komisch aus“, meinte Randy, und es war wirklich wahr. Als Kelly einmal Schönheitssalon spielte, schnitt sie gemeinsam mit dem Haar von Schnatterbaby ihr eigenes blondes Haar ab, wodurch sie beide einen zerfransten Haarschnitt verpasst bekamen. Kellys Haare wuchsen langsam nach, das Puppenhaar natürlich nicht. Jetzt standen auf dem Kopf der Puppe überall die blonden Haarstoppeln ab, was sie etwas unansehnlich machte. Aber sie hatte immer noch strahlend blaue Augen und ein Lächeln auf dem Gesicht, auch wenn dies von den vielen schmutzigen kleinen Fingern ziemlich verschmiert war.

„Ich glaub sie ist genau richtig“, meinte Mutter. „Das Jesuskind hatte wahrscheinlich auch wenig Haare, als es geboren wurde. Und ich wette, es hat nichts dagegen, von einer Puppe gespielt zu werden, die so oft gedrückt und umarmt wurde.“

Die Entscheidung war gefallen und die Kinder begannen mit dem Anfertigen neuer Kleidung für das Jesuskind. Aus Stoffresten wurden ein kleines Jäckchen und ein paar Stoffwindeln genäht. Das Beste war noch, dass Baby Jesus genau in die Krippe passte. Da die Zeit noch nicht ganz gekommen war, dass es darin schlafen würde, wurde die Puppe bis zum Heiligabend sorgfältig auf ein Regal im Flurschrank gelegt.

Der Strohhaufen wuchs inzwischen ständig an. Jeder Tag brachte neue und unterschiedlichste Überraschungen, da die geheimnisvollen Feen ihre Aktivitäten noch verstärkten. Das Haus der McDonalds war nun endlich mit einer weihnachtlichen Atmosphäre erfüllt.

Nur Eric war ungewöhnlich schweigsam, seit er den Namen für die dritte Woche gezogen hatte. Der letzte Sonntagabend mit der Ziehung der Namen war auch schon die Nacht vor dem Heiligen Abend. Als die Familie um den Tisch herumsaß und darauf wartete, dass zum letzten Mal die Zettel in den Hut gelegt wurden, ergriff Mutter das Wort: „Ihr habt alle wunderbare Arbeit geleistet. Es müssen Hunderte von Strohhalmen in unserer Krippe sein. Ihr könnt mit dem Bett, das ihr gemacht habt, sehr zufrieden sein. Aber vergesst nicht, wir haben immer noch einen ganzen Tag übrig. Es ist also noch genug Zeit, etwas dazu beizutragen, das Bett noch weicher zu machen. Sollen wir das alle tun?“

Zum letzten Mal wurde der Hut um den Tisch herumgereicht. Der kleine Mike zog einen Namen und Papa flüsterte ihn in sein Ohr, genauso wie er es die anderen Wochen getan hatte. Randy öffnete ihr Papier sorgfältig unter dem Tisch, warf einen kurzen Blick darauf und zog dann lächelnd ihre Schultern hoch. Kelly griff in den Hut und kicherte fröhlich, als sie den Namen sah. Mama und Papa zogen auch je einen, dann reichten sie den Hut mit dem letzten Namen an Eric weiter. Nachdem er das kleine Stück Papier aufgefaltet und gelesen hatte, verzog sich sein Gesicht und plötzlich schien er den Tränen nahe zu sein. Ohne ein Wort zu sagen, rannte er aus dem Zimmer. Sofort sprangen alle vom Tisch auf, doch Mutter stoppte sie.

„Nein, bleibt wo ihr seid“, rief sie aus, „lasst mich zuerst alleine mit ihm reden.“

Gerade als sie oben auf der Treppe ankam, warf Eric die Tür auf. Er versuchte, sich mit einer Hand seinen Mantel anzuziehen, während er mit der anderen einen kleinen Koffer trug. „Ich muss weg“, sagte er leise durch seine Tränen hindurch. „Wenn ich nicht gehe, werde ich Weihnachten für euch noch alle verderben!“

„Aber warum? Und wo willst du denn hin?“, wollte Mutter wissen.

„Ich kann für einige Tage in meiner Schneeburg schlafen. Ich komm gleich nach Weihnachten wieder nach Hause. Ich versprech es.“

Mutter fing an, etwas über Erfrieren und Schnee, keine Handschuhe und Stiefel zu reden, doch Papa, der jetzt hinter ihr stand, legte seine Hand auf ihren Arm und schüttelte den Kopf. Die Haustür schloss sich, und zusammen schauten sie durchs Fenster der kleinen Figur ohne Mütze nach. Mit traurig herunterhängenden Schultern ging Eric über die Straße und setzte sich an der Ecke auf eine Bank. Draußen war es sehr dunkel und kalt, und einige Schneeflocken ließen sich auf den kleinen Jungen und seinen Koffer nieder.

„Aber er wird erfrieren!“, sorgte sich Mutter.

„Lass ihn einige Minuten allein“, antwortete Papa schnell, „dann kannst du mit ihm reden.“

Als Mutter zehn Minuten später über die Straße ging und sich neben Eric auf die schneebedeckte Bank setzte, war die zusammengekauerte Gestalt bereits mit einer dünnen Schicht von Schneeflocken bedeckt. „Was ist los, Eric? Du bist die letzten Wochen doch so brav gewesen, aber ich hab das Gefühl, dass dich etwas bedrückt, seit wir mit der Krippe angefangen haben. Willst du‘s mir nicht sagen, Schatz?“

„Ach Mutter, verstehst du nicht?“, seufzte er. „Ich hab‘s wirklich versucht, ich kann‘s einfach nicht mehr länger machen. Und jetzt verderbe ich euch auch noch das Weihnachtsfest.“ Dann brach er in Schluchzen aus und warf sich in die Arme seiner Mutter.

„Aber ich versteh nicht ganz“, antwortete Mutter und wischte ihm die Tränen vom Gesicht. „Was kannst du nicht machen? Wie könntest du uns Weihnachten verderben?“

„Mama, du hast doch keine Ahnung“, erwiderte der kleine Junge unter Tränen. „Ich hab Kellys Namen alle vier Wochen gezogen, und ich mag Kelly nicht! Ich kann einfach nichts Gutes mehr für sie tun, sonst raste ich noch aus. Ich hab‘s versucht, Mama. Wirklich! Ich bin jeden Abend in ihr Zimmer geschlichen und hab ihr Bett vorbereitet. Ich hab sogar ihr zerknittertes Nachthemd ordentlich hingelegt, und ich leerte ihren Papierkorb. Mama, ich hab sie sogar einen Tag mit meinem Rennauto spielen lassen, aber sie hat es wie immer gleich gegen die Wand geknallt!“

„Ich habe versucht, nett zu ihr zu sein, Mama. Sogar als sie ‚idiotischer Dummkopf‘ zu mir gesagt hat, weil das Bein der Krippe zu kurz war, habe ich sie nicht gehauen. Und jede Woche, wenn wir die neuen Namen gezogen haben, dachte ich, es wäre vorbei. Aber heute Abend, als ich schon wieder ihren Zettel kriegte, wusste ich, dass ich keine einzige gute Tat mehr für sie tun kann. Mama, ich kann‘s einfach nicht mehr! Und morgen ist Heiligabend. Gerade wenn wir dabei sind, das Jesusbaby in die Krippe zu legen, verderb ich euch noch allen das Weihnachtsfest. Verstehst du jetzt, warum ich weg musste?“

Mutter hatte ihren Arm um die Schultern ihres jungen Sohnes, während sie für einige Minuten wortlos nebeneinander saßen. Nur ein gelegentliches Schluchzen und ein Schluckauf unterbrachen die Stille auf der schneebedeckten Bank.

Schließlich begann Mutter sanft zu sprechen: „Eric, ich bin so stolz auf dich. Alles, was du an Gutem getan hast, sollte doppelt zählen, weil es besonders hart für dich war, zu Kelly so lange lieb zu sein. Aber du hast all diese guten Dinge trotzdem getan. einen Strohhalm nach dem anderen. Du gabst deine Liebe, obwohl es nicht leicht für dich war. Vielleicht ist das der wahre Sinn von Weihnachten. Wenn uns das Geben zu leicht fällt, dann geben wir wahrscheinlich nicht von ganzem Herzen. Die Strohhalme, die du dazugelegt hast, waren vielleicht die wichtigsten, und darauf solltest du stolz sein. Aber wie würde es dir gefallen, wenn du dir auch einige Halme leichter verdienen könntest, wie der Rest von uns? Ich hab immer noch den neuen Zettel in meiner Rocktasche und hab ihn noch nicht gelesen. Warum tauschen wir für den letzten Tag nicht einfach die Namen aus? Das bleibt dann unser Geheimnis, also schummeln wir nicht mal.“

Mutter lächelte, als sie ihm das vorschlug. Zusammen trockneten sie die Tränen, fegten sich den Schnee ab, und gingen zum Haus zurück. Am nächsten Tag war die ganze Familie damit beschäftigt, das Haus auf den Weihnachtstag vorzubereiten. Es wurde gekocht und die letzten Geschenke eingepackt, und vor lauter Aufregung über das Bevorstehende platzten alle fast. Doch trotz aller Aktivitäten und der Vorfreude häufte sich ein neuer, lockerer Strohhaufen in der Krippe, die bis zur Abenddämmerung überquoll. Von den Großen bis zu den Kleinen kam jeder zu verschiedenen Zeiten daran vorbei und hielt an, um das wunderbare Strohbett einen Moment zu bewundern, um dann andächtig vor sich hinlächelnd weiterzugehen. Die Zeit war schon fast gekommen, die Krippe aufzustellen. Aber war sie auch weich genug? Ein Strohhalm mehr könnte schon noch einen Unterschied machen. Aus diesem Grund schlich Mutter kurz vor Schlafenszeit in Kellys Zimmer, um das kleine blaue Nachthemd auszulegen und die Bettdecke umzuschlagen. Aber sie hielt in der Tür überrascht inne. Jemand war vor ihr dagewesen. Das Nachthemd war ordentlich über das Bett gelegt und auf dem Kopfkissen daneben ruhte ein kleines rotes Rennauto. Also war nach all dem der letzte Strohhalm von Eric.

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